Politik des Wegschauens und der Entmenschlichung von Flüchtlingen wird sich rächen

Serbische Polizei schlägt wie wild auf Geflüchtete ein. In einer inoffiziellen whatsapp-Gruppe
der kroatischen Grenzpolizei und des Innenministeriums tauscht man Bilder von
gewalttätigen Pushbacks an der kroatisch-bosnischen Grenze aus. Im bosnischen
Flüchtlingslager Lipa erfolgt mit österreichischer finanzieller Beteiligung der Bau einer
Gefängniseinheit ohne Zustimmung der lokalen Behörden. Vermummte Männer setzen
Flüchtlinge vor Lesbos auf hoher See. Die Vermummten scheinen Angehörige der
griechischen Küstenwache zu sein, mutmaßlich war die Aktion von der griechischen Polizei
koordiniert. Berichte von toten Flüchtlingen im Mittelmeer werden in der westlichen
Öffentlichkeit fast schon ignoriert.

All diese Fälle und die schrecklichen Bilder fügen sich zu einem großen Muster zusammen,
das ganz klar zeigt: die EU-Asylpolitik ist gescheitert, Gewalt an Aussengrenzen wird
akzeptiert, alle schweigen laut dazu. Dehumanisierung der Geflüchteten & Erosion der
Grundrechte schreitet voran. Das offizielle Brüssel übt sich in der Regel in der Politik des
Wegschauens und der mehr oder weniger eleganten Beschwichtigungen. „Die hässlichen
Bilder“ von den EU-Außengrenzen sind somit leider zur Tagesordnung einer EU geworden,
die hier offen die eigenen Rechtsgrundsätze und Prinzipien verrät. Das hat eine gefährliche
Präzedenzwirkung – je fester und konsequenter man draufschlägt, desto besser aus der Sicht
der EU. Das Asylrecht ist aber ein geltendes Recht. Wer immer es in Frage stellt oder unter
dem Knüppel begräbt, stellt auch den geltenden EU-Rechtsbestand in Frage und ruiniert
mutwillig das internationale Völkerrecht.

Flüchtlinge und Migrantnnen sind in Europa längst zur politischen Verschubmasse geworden. So wie Belarus Ende 2021 die Flüchtlinge als Waffe gegen die EU und den Westen einsetzte, so tat es auch der türkische Präsident Erdogan immer wieder in den letzten Jahren Auch sein innenpolitischer Herausforderer, Kemal Kilicdaroglu wetterte jüngst auch gegen Flüchtlinge. Flüchtlinge und Migrantinnen scheinen derzeit für viele schlich „perfekte“

Sündenböcke zu sein. Wie dies in der politischen Praxis funktioniert, erlebt man leider
nahezu tagtäglich in der österreichischen Innenpolitik.
Was mir am meisten weh tut, ist die hinter all diesen gegen Flüchtlinge und MIgranti*innen
gerichteten Praktiken und der populistisch-rassistischen Rhetorik offen zu Tage tretende
Entmenschlichung von Schutzsuchenden, ja die klammheimliche Freude an ihrer
Demütigung. Wenn die Empathie und Achtung den Flüchtlingen und allen anderen
Schwächeren in unserer Gesellschaft gegenüber verloren gehen, wenn das Recht
niedergeknüppelt und auf Humanität vergessen wird, wenn stets gegen die anderen gehetzt
wird, dann schneidet man sich ins eigene Fleisch. So wird man eines Tages in einem kalten
Europa und Österreich aufwachen, das niemand mögen wird.

Vedran Dzihic

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